Temporäre Senkung der Mehrwertsteuer

 

Wir beantworten die wichtigsten 5 Fragen, die sich Unternehmern jetzt stellen

Coronabedingt haben viele Unternehmen in den vergangenen Monaten Verluste gemacht. Die Absenkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent beziehungsweise von sieben auf fünf Prozent (ermäßigter Satz) soll die Kauflaune der Deutschen wiedererwecken und die Wirtschaft beflügeln. Doch welche Chancen bietet diese Maßnahme für Unternehmen? Was müssen sie beachten? Und ist damit zu rechnen, dass die Mehrwertsteuer dauerhaft niedrig bleibt?

 

1. Was besagt die Maßnahme zur Absenkung der Mehrwertsteuer konkret?

Als „Herzstück des Corona-Konjunkturpakets“ bezeichnet der bayerische Ministerpräsident Söder die Absenkung der Mehrwertsteuersätze: Im zweiten Halbjahr dieses Jahres senkt die Bundesregierung sowohl den regulären als auch den reduzierten Mehrwertsteuersatz. Das bedeutet, dass Unternehmen zwischen Anfang Juli und Ende Dezember statt der regulären 19 Prozent nur noch 16 Prozent Mehrwertsteuer berechnen. Der reduzierte Satz, der beispielsweise auf Lebensmittel, Bücher oder auch Hotelübernachtungen fällig wird, wird analog dazu von sieben auf fünf Prozent abgesenkt. Die Rechnung der Bundesregierung ist dabei einfach und an den ökonomischen Trickle-Down-Effekt angelehnt: Sinkende Kosten auf Anbieterseite führen zu sinkenden Preisen für Verbraucher. Das belebt die Kauflaune und führt somit zur Wiederbelebung der Wirtschaft. Durch die Steigerung der Binnennachfrage hofft die Politik eine ökonomische Abwärtsspirale zu stoppen, die aufgrund der Corona-Pandemie bereits eingesetzt hat. Aus wirtschaftlicher Sicht ist diese Maßnahme durchaus positiv zu bewerten. Die Steuersenkung wirkt branchenübergreifend und direkt. So erwartet die Bundesregierung alleine durch dieses Instrument einen Konjunkturimpuls von 20 Milliarden Euro.

 

2. Welche Herausforderungen kommen aufgrund der Mehrwertsteuersenkung auf Unternehmen zu?

Eine einfache Faustregel kann hier helfen: Je mehr Kundenkontakt Sie haben, desto größer könnten Ihre Herausforderungen sein. Preisschilder müssen verändert und Kassen umgestellt werden. Auch Ihre Werbung oder Ihr Online-Shop benötigen eine Anpassung. Das zieht administrative und operative Kosten nach sich, die je nach Umfang Ihres Produktangebotes ganz unterschiedlich hoch ausfallen können – zumal absehbar ist, dass diese Änderungen sechs Monate später wieder zurückgenommen werden müssen. Inwiefern die so entstehenden Kosten den Konjunkturimpuls schmälern, ist derzeit nicht absehbar. Wo ein Wille ist, findet sich aber auch immer ein Weg, und zum erfolgreichen Unternehmertum gehört auch immer ein Stück Kreativität: So kann es im Handel beispielsweise reichen, mit Plakaten oder ähnlichem auf die Reduzierung der Mehrwertsteuer hinzuweisen und den Preis dann an der Kasse zu reduzieren. Ein sogenannter Rechnungsrabatt ist nach Einschätzung von Experten sowohl juristisch als auch verbraucherrechtlich möglich. Womit zudem zu rechnen ist: Kunden könnten aufgrund der Steuersenkung ab Juli mit ihren Investitionen abwarten und im Juni besonders sparsam sein. Auch darauf sollten sich Unternehmen einstellen.

 

3. Wie wirkt sich die Mehrwertsteuersenkung auf den Endkunden aus?

Die abgesenkte Mehrwertsteuer ist ein fiskalpolitisches Instrument, das ohne Umwege wirkt. Jeder Einkauf, jede Hotelübernachtung und jeder Shoppingausflug ist direkt davon betroffen. Wie hoch die Entlastung für den Einzelnen ausfällt, hängt vom individuellen Ausgabeverhalten ab. Grundsätzlich gilt: Der wöchentliche Einkauf wird in der Summe weniger stark entlastet als die Anschaffung teurerer Waren. Experten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) rechnen damit, dass die Ersparnis über das gesamte zweite Halbjahr pro Haushalt zwischen 157 und 696 Euro betragen könnte. Geld, das dann wiederum an anderer Stelle für weitere Investitionen zur Verfügung stünde.
Zwingen kann man Unternehmen ohnehin nicht, die Steuersenkung eins zu eins an den Kunden weiterzugeben, gesteht auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz ein. So bleibt Unternehmen eine Menge Spielraum, um darüber zu entscheiden, wie sie mit der Steuersenkung umgehen. Manche Firmen und Händler könnten die drei beziehungsweise zwei Prozentpunkte Steuernachlass auch nutzen, um bei stabilen Endpreisen die Marge zu erhöhen. Das ist zwar nicht im Sinne der Bundespolitik, aber durchaus legitim. Ökonomen rechnen damit, dass die Preissenkungen bestenfalls zu etwa 75 Prozent an Verbraucher weitergereicht werden. Pessimistischere Prognosen gehen von einer Weitergabe der Preisnachlässe von 15 Prozent aus. Erfahrungen mit temporären Senkungen dieser Art konnten bereits in Großbritannien gesammelt werden. Hier wurde die Mehrwertsteuer 2009 als Reaktion auf die Finanz- und Wirtschaftskrise gesenkt. Studien belegen, dass die Preisnachlässe immerhin zu 75 Prozent an Kunden weitergegeben wurden.

 

4. Wie wirkt sich die Senkung der Mehrwertsteuer auf die deutsche Gesamtwirtschaft aus?

Diese Frage pauschal zu beantworten, ist schwierig: Zu viele Faktoren und Unwägbarkeiten machen eine genaue Prognose unmöglich. Im besten Falle geben viele Unternehmen und Händler die Preissenkungen weiter, die Deutschen stürmen die Innenstädte und sparen durch die Senkung der Mehrwertsteuer so viel Geld ein, dass auch der nächste Einkauf eine sichere Sache ist. Das würde den Umsatz von Händlern, Gastronomen, Zulieferern und vielen weiteren Wirtschaftsakteuren steigern und zur Belebung der Binnenökonomie führen. Wie viel das ausmacht, bleibt ungewiss. Denn niemand kann garantieren, dass wenige Prozentpunkte Preisnachlass die Kauflaune wirklich derart antreiben, dass sich das in den Läden und letztlich in den Büchern bemerkbar macht.

Damit sich die Senkung der Mehrwertsteuer deutlich auf die gesamtdeutsche Wirtschaft auswirkt, ist wichtig, dass Unternehmen diese nicht allzu breit zur internen Sanierung nutzen. Denn sollte sich an der Ladenkasse für den Endkunden nicht tatsächlich ein günstigerer Preis bemerkbar machen, wird das die Kauflust nicht wie gewünscht positiv beeinflussen. Jedes Unternehmen benötigt hier somit seine eigene Strategie. Wie viel der eigenen Ersparnisse geben sie an Kunden weiter – und wie viel fließt in die eigene Marge?
Diese Steuersenkung ist einer der wenigen Fälle, in denen das berühmte Strohfeuer erwünscht ist. Was sonst eher als negative Beschreibung wirtschaftspolitischer Maßnahmen genutzt wird, ist jetzt gewollt: ein spontanes, intensives Aufflammen der Kaufkraft und Kauflust. Wenn daraus ein nachhaltiges Nachglühen wird, hat die Maßnahme ihre Wirkung voll entfaltet.

 

5. Ist damit zu rechnen, dass die Mehrwertsteuer dauerhaft niedrig bleibt?

Sinn und Zweck der Steuersenkung ist es, die Deutschen jetzt zum Investieren zu animieren. Jeder, der einmal eine zeitlich begrenzte Sonderaktion durchgeführt hat, kennt den Effekt: Kaufrabatte und Ähnliches funktionieren dann am besten, wenn der Aktionszeitraum künstlich verknappt wird. Und so sollte auch die Mehrwertsteuersenkung funktionieren. Denn wissen die Kunden, dass sie den Neuwagen, die Jeans oder ein neues Smartphone auch noch im Januar 2021 günstiger bekommen, verpufft der akute Kaufanreiz. Es ist also nach heutigem Stand nicht damit zu rechnen, dass die Mehrwertsteuersätze auch über 2020 hinaus auf abgesenktem Niveau verbleiben.